Nachruf Imani

Ihr Name: Imani Paul.
Jede Position, die wir für unsere Organisation besetzen (egal ob in Tansania oder in Deutschland), ist uns sehr wichtig, weil sie den Unterschied machen kann. Deshalb luden wir die vielversprechendsten finalen Kandidat*innen zu einem Assessment Center nach Bukoba ein. Gemeinsam mit dem Projektleiter (und ihrem späteren Vorgesetzten, Gonzaga Stephen), sowie Ansprechpartner*innen aus dem Ministerium mit denen wir zusammenarbeiten, lernte ich die Kanditat*innen intensiv kennen.
In der Mittagspause gingen wir gemeinsam in die „Kantine“ auf dem Gelände der Regionalregierung: Plastikstühle, Wachstischdecken, überfordertes Personal… Wir warteten sehr lange auf unser Essen, aber es kam einfach nicht. Auf einmal machte sich die Bewerberin Imani Paul auf, ging in die Küche, und kam nach kurzer Zeit mit dem Essen für unsere große Runde heraus!
Würdest du so etwas machen? Würde ich so etwas machen? Imani ging diese extra Meile. Nicht nur in die Küche der Kantine, sondern auch in die sprichwörtliche Küche, wo es im Tagesgeschäft heiß und fettig ist! Und sie bekam den Job.
In unserem persönlichen Feedback Gespräch sprach ich sie darauf an:
„Deine Eigeninitiative ist herausragend! Deine Bereitschaft, selbst aktiv zu werden, um etwas zu verändern, ohne dass dich jemand anderes darauf aufmerksam macht, ist für unsere Arbeit unabdingbar. Deshalb möchte ich dich sofort in unserem Team haben.
Ich habe aber auch eine Bitte an dich: Hast du gesehen, dass keiner der männlichen Bewerber auf diese Idee gekommen ist, und dass auch keiner von ihnen deinem Beispiel gefolgt ist?
In einer von Männern dominierten Kultur, wo traditionelle Wertvorstellungen bis hin zu Aberglauben, Mädchen und Frauen klein halten, möchte Jambo Bukoba Mädchen stark machen.
Mein Anliegen an dich ist, dass du ein Vorbild für Mädchen bist, und dass dir der schwierige Spagat gelingt, in einem Umfeld von traditionellen Wertvorstellungen ein emanzipiertes modernes afrikanisches Frauenbild vorzuleben.“

Imani war „der Hammer“, und wir gingen gemeinsam auf „Neukundengewinnung“ beim deutschen Botschafter in Tansania, beim Geschäftsführer von KPMG in Daressalam, und beim Repräsentanten einer Goldmine. Mir war es wichtig, gängige Klischeevorstellungen zu brechen, und Imani noch stärker zu machen. Deshalb traten wir dort nicht als „Chef und attraktive Assistentin“ auf, sondern teilten unsere Rollen wie folgt auf: Ich war der deutsche Gründer, der seine Kindheit in Tansania verbrachte und jetzt, als Erwachsener, etwas für die Kinder in der Heimat seines Vaters zurückgeben wollte. Imani, die Expertin und Verantwortliche vor Ort.


Zu einigen Repräsentant*innen der deutschen Botschaft in Daressalam entwickelte sich ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Der stellvertretende deutsche Botschafter kam als Ehrengast zu unserem finalen Bonanza in Bukoba, und unsere Delegation wurde in sein Anwesen eingeladen. Selbst „die Goldmine“ war offen für eine Zusammenarbeit, leider waren wir zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, dies umzusetzen.

„Es muss aufhören, dass „Nicht-Afrikaner“ mit ihren Geschichten ein verzerrtes Afrikabild prägen. Afrika muss lernen, selbst seine Geschichte zu erzählen!“ sagte sie mir einmal voller Inbrunst, nach einem Workshop, den sie bei den Vereinten Nationen wahrgenommen hatte. Ich war so wahnsinnig stolz auf sie. Immer wieder erinnerte ich sie daran. Und manchmal provozierte ich sie auch damit, wenn ich das Gefühl hatte „Da geht noch mehr!“.


Ziemlich bald, nachdem sie bei uns ihr Praktikum erfolgreich beendete, und wir sie als feste Mitarbeiterin übernahmen, vertrauten wir ihr unsere Finanzen in Tansania an. Das lief am Anfang ziemlich holprig und Imani musste sich wirklich durchbeißen. Ich erinnere mich an ein Gespräch in diesen Tagen, wo sie mir anvertraute, wie schwer es ihr fiel, und dass sie auch darüber nachdachte, aufzugeben. Damals hielt sie mit ihrer Mutter Rücksprache und zog daraus die Kraft und Motivation, sich der neuen Verantwortung erfolgreich zu stellen. Sie war bereit, hart an sich zu arbeiten.

„Mädchen stark machen“ bedeutet für mich – als Gründer von zwei Organisationen in Deutschland und Tansania, und somit als Arbeitgeber – auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. Deshalb, und weil wir Imani sehr schätzen, boten wir ihr eine neue Rolle an, die sie bei ihrem Mann und ihren Kindern von Daressalam aus erfüllen konnte: Generalsekretärin und Repräsentanz in Daressalam. (In Deutschland wäre das so, als ob sie das Hauptstadt Büro leiten würde).
Ende letzten Jahres baten wir sie, für drei Monate (in einer Doppelspitze), die Co-Geschäftsführung in Tansania zu übernehmen, und sie sagte „Ja!“


Wir können Imani nicht in dieses Leben zurückholen. Aber wir können etwas dafür tun, das ihr Wirken in unserem Leben, in dem Leben ihre Kinder, und in dem Leben von jungen Frauen und Männern in Tansania und darüber hinaus einen strahlenden Platz bekommt, aus dem wir Kraft, Hoffnung und Mut schöpfen können.
Das Leben, der Mut, und der Tod von Imani sind für mich Ansporn,
heute erst recht nicht aufzugeben, Kindern und Jugendlichen in Tansania
bessere Lebensperspektiven zu verschaffen.
Hilfs- und Bildungsfonds für Imanis Kinder

Bei Imanis Kinder fangen wir an, in dem wir mit einem Bildungs- und Hilfsfonds ihre Zukunft (wenigstens materiell) absichern.
Imani Paul Girls Fund
Die über 300.000 Mädchen in Primary Schools, die Imani mit JFD in unserer Projekt Region Kagera betreut hat, unterstützen wir mit einem jährlichen Spendenaufruf für Binden. Viele Mädchen in unserer Region können sich aufgrund von Armut keine Binden leisten. Während ihrer Menstruation bleiben sie deshalb häufig der Schule fern. Für jeden Euro werden wir vier Binden besorgen und sie auch an die entlegensten Schulen bringen, damit jedes Mädchen in Kagera, auch während ihrer Periode, einen Schultag wahrnehmen kann. Diese Initiative werden wir jährlich wiederholen und zu ihrem Gedenktag, die Binden an Mädchen geben und die Arbeit von Imani lebendig halten.
Imani hatte dieses Vertrauen und schenkte mir Ihr Vertrauen.
Imani machte den Unterschied. Und die Gedanken an sie, können auch uns zukünftig dabei helfen, den Unterschied zu machen. Jetzt liegt es in unserer Hand Worten Taten folgen zu lassen.

Danke gut deine Zeilen. Es schmerzt sie zu lesen, tut aber auch gut. Wir alle werden Imani nicht vergessen!
Danke Dir liebe Viki 🙏🏽
Ich kannte Imani nicht. Aber wenn ich das lese, bin ich beeindruckt. Und es zeigt mir, was im Leben wichtig ist und worauf es ankommt. Es sind Vorbilder für uns alle. Menschen die etwas bewegen. Verändern. Und vor allem zu 100% Mensch sind.