Im August ist Jambo Bukobas Gründer und Vorstand Clemens Mulokozi 500 km gelaufen – und hat damit Spenden für den Verein gesammelt. In diesem Blogbeitrag berichtet er von seinen Erfahrungen, den Hindernissen und Erfolgen.
Im August nahm ich mir etwas besonderes vor: Ich würde versuchen 500 km in einem Monat zu laufen, um damit 15.000 € Spenden für die Kinderhilfsorganisation Jambo Bukoba e.V. zu mobilisieren. Diese Summe ist unbedingt notwendig, damit die Organisation in Tansania ein dringend benötigtes Projektfahrzeug erwerben kann.
15.000 € Spenden? In Zeiten von Corona! Für irgendwelche Kinder in Afrika? Wegen 500 km Laufen?
15.000 € sind für das gebrauchte Projektfahrzeug veranschlagt. Für eine kleine NGO eine Menge Geld. Auch unter „normalen“ Umständen schwierig zu mobilisieren, weil Menschen ungern für ein Auto spenden. Wenn schon spenden, dann lieber für die Kinder, mit einem Klassenzimmer oder einem Regenwassertank. Eineinhalb Jahre benötigte Jambo Bukoba e.V., um ausreichend Spenden für das erste (gebrauchte) Projektfahrzeug zu generieren. Top Employers AG und Alpine One GmbH ermöglichten erst kürzlich den Erwerb des dringend benötigten Fahrzeuges.
Zwischenzeitlich waren die Autos mehr in der Werkstatt als auf der Straße. Reparaturkosten und Ausfallzeiten wurden ein immer größeres Problem, auch deshalb, weil bestehende Aufgaben immer häufiger nicht fristgerecht erfüllt wurden. Versuche, das Fahrzeug über Projekte für die es eingesetzt wird „quer zu finanzieren“, scheiterten. Nebenbei gefährdet man auch die Sicherheit der MitarbeiterInnen, wenn sie auf den schwierigen afrikanischen Straßenverhältnissen mit einem Auto unterwegs sind, was nicht tipptopp ist.
Also, was tun, in Zeiten von Corona?
Ja, die Zeiten sind schwierig. Für die meisten von uns. Egal ob als Privatperson, Selbstständiger, UnternehmerIn oder GeschäftsführerIn. Kurzarbeit, Angst vor Jobverlust, oder Job bereits verloren, Firmen, die ums Überleben kämpfen und massive Sparprogramme sind plötzlich für viele von uns allgegenwärtig.
Sozialen Organisationen brechen auf einmal Privatspender, Selbstständige und Unternehmen als Spender weg. Was tun? „Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen!“ – das sagt sich leicht. Aber steckt man dann von heute auf morgen in der schwersten globalen Rezession seit dem Zweitem Weltkrieg, bricht eben doch leicht Panik aus, oder man verfällt in Schockstarre. Wie kann es gelingen, diese Krisensituation in eine Situation der Stärke umzuwandeln? Ist man naiv, wenn man trotz Krise ambitioniert ist, mehr anstrebt, als „einfach“ nur zu überleben? Okay, wir sind weder Amazon, Zoom noch ein Pharmaunternehmen, und stellen auch kein Klopapier her, aber kann es nicht trotzdem gelingen, mit Kreativität, Mut und der Bereitschaft „die Extrameile zu gehen“, das Beste aus der bestehenden Situation zu machen und das neue „Normal“ anzunehmen? Ehrlich gesagt gibt es keine Alternative. Im Gegenteil: Die Corona-Krise verschärft soziale Probleme. Die Pandemie kann Millionen von Kindern in Kinderarbeit, Sklaverei, Menschenhandel und Prostitution stürzen, so ein gemeinsamer Bericht von UNICEF und der Internationalen Arbeitsorganisation [COVID-19 und Kinderarbeit: Eine Zeit der Krise, eine Zeit zum Handeln].
Tatsache ist, dass das Risiko der häuslichen Gewalt, der sexuellen Belästigung und des Missbrauchs von Frauen und Mädchen während der Pandemie durch den Lockdown und die Schließung von Kindergärten, Schulen und Universitäten verschärft wird. In Kenia zum Beispiel sind Hilferufe gegen häusliche Gewalt in den ersten drei Wochen der Ausgangssperre morgens um 34 Prozent gestiegen.
“Das habe ich vorher noch nie versucht, also bin ich völlig sicher dass ich es schaffe!“
ist angeblich ein Pippi Langstrumpf Spruch, und den machte ich mir zu eigen, als Motto für die #500_km_Challenge. Als ich ihn das erste Mal las musste ich laut lachen. Er nimmt einer großen Aufgabe die „Schwere“. Und genau diese Prise Unbekümmertheit brauchte ich, um etwas zu wagen, was bei vielen Menschen skeptisches bis mitleidiges Kopfschütteln hervorrief. Und das war der Plan: Ich würde versuchen, in einem Monat 500 km zu laufen, damit möglichst viel Aufmerksamkeit generieren und auf die Arbeit der Kinderhilfsorganisation lenken, um zu versuchen, 15.000 € Spenden zu mobilisieren.
Wie kommt man auf die Idee, 500 Kilometer in einem Monat zu laufen?
500 km sind auch für mich als passionierten Läufer wirklich eine Herausforderung. Die höchste Kilometerleistung in einem Monat waren bisher 444 km. Und das war schon echt anstrengend, aber machbar. Das Laufen ist die eine Herausforderung, die Vereinbarkeit von Job, Familie und sozialem Leben lässt sich fast noch schwieriger gestalten.
Durchschnittlich 16 km müsste ich 31 Tage ohne Pausentag laufen. 50 Stunden nur fürs Laufen müsste ich mir aus den „Rippen schneiden“. Ich laufe sehr gerne und hatte 2020 eigentlich die Teilnahme an zwei Marathons geplant: April (Paris) und Juli (Roth), die aber beide Corona-bedingt ausfielen. So kreierte ich mir meine eigenen Challenges, indem ich meine monatliche Kilometerleistung seit dem Frühjahr von 300 auf 333, auf 400 und 444 Kilometer hochschraubte. Und jetzt wollte ich halt wissen, ob ich auch 500 km schaffen könnte? Meine Laufeuphorie wurde auch dadurch gesteigert, weil ich im Frühjahr in das globale ASICS FrontRunner Team aufgenommen wurde und so mit Laufklamotten und -schuhen meiner Lieblingsmarke rennen durfte.
Laufen allein reicht nicht.
Möglichst viele Leute sollten auf „Forest Clemens“ aufmerksam werden und wir benötigten eine schlüssige Hinführung zu dem benötigten Projektfahrzeug. Für die Reichweite nutzen wir Social Media. Ein paar Tage vor Monatsanfang startete ich mit Ankündigungen auf Facebook, Instagram, LinkedIn und Xing, inkl. Hashtag #500_km_Challenge und einer Art Kampagnenmotiv. In einem Workshop mit HypoVereinsbank MitarbeiterInnen entstand die Idee, die 500 Kilometer auf einer Tansania Karte abzubilden, um dann virtuell von Projekt zu Projekt zu laufen und damit die Arbeit der Organisation durch Bilder und Videos vorzustellen.
Noch bevor ich überhaupt den ersten Schritt lief, wurden bereits 700 € gespendet. Ich war euphorisiert. Machte mir einen exakten Lauf Plan für jeden Tag, inkl. dreier Regenerationstage, was aber bedeutete, dass auch 35 km Läufe dabei waren. Ich hoffte, dass ich eventuell ein paar ambitionierte LäuferInnen mitreißen könnte, die am Finalwochenende den letzten Lauf mit mir bestreiten. Deshalb plante ich für den 30. August ein 30 km Finale ein. Und „zum Reinkommen“ am 23. August einen 23 Kilometer Lauf.
Weil das Ganze sich gut anließ dachten wir, es bestünde die Chance, dass auch Zeitungen eventuell Interesse an dem Thema finden könnten. Erst gab es keine Resonanz, aber dann…
Währenddessen lief ich meine Kilometer. In der Früh, vor der Arbeit bis zu 23 Kilometer und an den Wochenenden auch mal 47 Kilometer. Plötzlich registrierte ich auf Instagram eine Läuferin in Koblenz und einen in Dänemark, die beide mit mir die 500 km virtuell rennen wollten. „Wow!“ dachte ich. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und das beflügelte zusätzlich. Dann fragte tatsächlich jemand an, ob er mit mir laufen könnte. Er würde auch spenden. Klar meinte ich. Auch ohne Spende. Und wir nutzten die Gelegenheit, die 23- und 30 Kilometerläufe zu „bewerben“.
Immer mehr Menschen wünschten, speziell auf Instagram, aber auch auf Facebook, LinkedIn und Xing, Glück, feuerten mich an und spendeten. Aus „meiner Challenge für Jambo Bukoba e.V.“ wurde unsere Challenge. Aus ICH wurde WIR. Zum Dank, und weil mich das so beflügelte, tanzte ich zu einem afrikanischen Hit meiner Lauf-Playlist und stellte es als Video [Reel] auf Instagram. Die Follower reagierten begeistert.
So bei 3.000 € wurde es dann aber zäh, was die Spendengenerierung anbelangt. Wir brauchten einen „Kracher“. Irgendetwas was die Leute noch mehr mitriss!? Einen „Spendenturbo“. Die Idee: Finde ein Unternehmen, welches bereit ist ab sofort alle neu eingehenden Spenden zu verdoppeln. Damit könnte man selbst aus kleinsten Beträgen attraktive Summen machen und neue Spender mobilisieren.
Welches Unternehmen würde in der jetzigen Zeit so etwas unterstützen?
Die TOP Vermögen AG, ein in Starnberg, München und Traunstein ansässiger unabhängige Vermögensverwalter und die Werner Reichenberger Stiftung sagten durch ihren Portfolio Manager Harald Fischer zu, alle neu eingehenden Spenden bis zu einem Betrag von 6.000 € zu verdoppeln! Damit rückte das Projekt-Fahrzeug für Tansania wieder in greifbare Nähe. Die TOP Vermögen AG unterstützten Jambo Bukoba nicht zum ersten Mal. Sie hatten bereits in der Vergangenheit mitgeholfen, ein Wasserprojekt (Errichtung eines Wassertanks) sowie eine Brunnenbohrung zu realisieren. Diese super Botschaft kam während der Gespräche mit der Süddeutschen Zeitung und bewirkte wahre Wunder: Als wir den Artikel teilten und per Newsletter unsere bestehenden Unterstützer informierten, konnte man den Stolz und die Bewunderung für diese schöne Aktion förmlich spüren. Die Meldung wurde gerne geteilt und die Spenden wuchsen.
Ein ganz besonderes Highlight
Die viele Lauferei machte sich natürlich schon bei mir bemerkbar, auch wenn ich versuchte, das auszublenden. Beklemmt wachte ich ein paarmal auf, weil ich gerade davon träumte, dass ich versuche zu laufen, aber nicht von der Stelle komme. So ungefähr, wie wenn man versucht unter Wasser zu sprinten. Man kommt nur voran, wenn man sich langsam und mit viel Kraftaufwand bewegt. Beim Aufwachen fühlten sich meine Beine so müde an. Und da spendete mir Körpermomente, eine Münchner Praxis für Physiotherapie, eine 60 Min. Massage. Was für eine willkommene Spende. Unterstützend mixte mir meine Frau (Heilpraxis Mulokozi) ein spezielles Öl für die Beine. Und eine Instagram Läuferin (Mamilovestorun) trommelte in ihren Stories für die 500 km Challenge und machte sogar ein kleines Interview mit mir. QueraussteigerPodcast führten ein Gespräch mit mir und überhaupt entwickelte sich alles wunderbar.
Unter dessen konkretisierte sich die Laufgruppe für den 23 km Lauf und für das 30 km Finale. Und selbstverständlich kündigten wir die Crew Runs adäquat auf Social Media an.
Dann passierte etwas sehr ungewöhnliches
In der Nacht vor dem 23 km Lauf mit wachte ich um 3:30 Uhr auf, musste ins Bad und bekam solche massiven Schweißausbrüche, dass sich auf den Badfließen eine große Lache bildete. Ich legte ein Handtuch aus und rechnete damit ohnmächtig zu werden. Ich fühlte mich zu schwach alleine ins Bett zu gehen und war froh, dass meine Frau aufwachte, mir ein Glas Wasser gab und mich ins Bett führte. Als ich um 6 Uhr für den frühen Lauf aufwachte war der Spuk gottseidank vorbei. Die 23 km liefen locker und mit Spaß.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge näherten wir uns dann dem Final Wochenende. Lachend, weil die Spenden sich prächtig entwickelten. Es zeichnete sich ab, dass wir die 15.000 € Marke tatsächlich erreichen konnten. Es entwickelte sich ein regelrechtes Fieber. Man schaute alle paar Minuten auf den aktuellen Spendenstand und machte Hochrechnungen. Ein Orthopäde aus Düsseldorf knackte die 15.000 € Marke und es gab kein Halten mehr. Gleichzeitig bekam ich so ein Gefühl, wie wenn sich der Sommerurlaub dem Ende naht und man noch jeden Sonnenstrahl und jeden schönen Moment ganz tief aufsaugen und konservieren möchte. Den finalen 30 km Lauf am Sonntagmorgen liefen wir dann zu zwölft parallel in München an der Isar, Ansbach, Koblenz und Dänemark.
21.257,52 € Spenden und eine Bewegung der Mitmenschlichkeit für Kinder in Tansania
Viele weitere Menschen ließen sich mitreißen: spendeten, kommentierten und teilten unsere Beträge. Der Münchner Merkur brachte eine Story zum Abschluss. Wir können nicht nur das Projektfahrzeug finanzieren, sondern auch ein Toilettenbau-Projekt mit einem speziellen Raum für Mädchen, in dem sie sich reinigen können, wenn sie die Periode haben und Binden zur Verfügung gestellt werden. Kann es sein, dass gerade, weil die Zeiten jetzt für viele von uns so schwierig und angespannt sind, wir uns sehnen nach positiven, sinnstiftenden Geschichten und Möglichkeiten, Teil von etwas größerem zu sein?
Ich nehme aus der 500 km Challenge mit, nie aufzugeben und seien die Vorzeichen auch scheinbar noch so ungünstig. Entscheidend ist die Bereitschaft den ersten Schritt zu machen und die Extrameile zu laufen. Begeisterung für etwas wie beispielsweise Laufen lässt sich auch virtuell teilen. Digitales motivieren, inspirieren und mitreißen kann auch sehr wirksam sein. August 2020 war nicht nur mein intensivster und schönster Laufmonat. Wir haben uns gegenseitig inspiriert, motiviert, unterstützt und ins Ziel getragen. Sowohl beim Laufen als auch bei dem erfolgreichen Versuch unsere Welt ein kleinen bisschen besser zu machen. Und am Ende haben wir alle gemeinsam nicht schlecht gestaunt, was wir auch in schwierigen Zeiten gemeinsam erreichen können. Für viele Mädchen und Jungen in Tansania, aber auch für uns selbst.